Die magischen Sechs
In seinen Schriften1 hat Joseph Pilates seine Methode, ihre Grundlagen und die Ausführung sehr genau beschrieben. Dabei benennt und erklärt er sehr klar und präzise einzelne Schwerpunkte.
Diese Schwerpunkten wurden später von seinen Schülern und Nachfolgern die sechs sogenannten Pilates Prinzipien genannt:
- Atmung
- Zentrierung
- Perfektion
- Kontrolle
- Konzentration
- Flow
Atmung
„Breathing is the first act of life, and the last. Our very life depends on it“2 schrieb Joseph Pilates 1945.
Er war der Überzeugung, dass die meisten Menschen nicht „richtig“ atmen, und meinte damit, dass sie mit der Einatmung nicht die ganzen Lungen füllen und mit der Ausatmung nicht die ganzen Lungen leeren – oder anders gesagt: sie atmen zu flach.
Dies wiederum hat seiner Meinung nach einen schlechten Einfluß auf unsere Gesundheit. Wenn wir flach atmen, atmen wir weniger tief, also auch weniger frische Luft ein. Dadurch nehmen wir weniger Sauerstoff auf und geben auch weniger verbrauchte Luft ab. Flaches Atmen verhindert ausserdem die volle Bewegung des Brustkorbes und des Zwerchfells – was wiederum zu eingeschränkter Bewegungsfähigkeit des Brustkorbes, des Zwerchfells und auch der Brustwirbelsäule führt. Und dadurch entsteht zwangsläufig eine schlechten Körperhaltung.
Zentrierung
Alle Kraft kommt vom Körperzentrum und gleichzeitig ist alles verbunden mit dem Körperzentrum. Dieser ganzheitliche Ansatz ist dem gesamten Pilates Training immanent.
Jay Grimes spricht vom „two-way-stretch“. Und er meint damit die Dehnung, die Ausrichtung und das „Arbeiten“ in opponierende Richtungen:
- von innen nach außen und von außen nach innen
- von oben nach unten und von unten nach oben
- von links nach rechts und von rechts nach links
- von vorne nach hinten und von hinten nach vorne
- in die Diagonalen
Lori Coleman-Brown vergleicht dies mit der Figur des Sterns: vom Körperzentrum bis in die Finger-, Zehen- und Haarspitzen. Alles strahlt und zieht nach außen – und bleibt gleichzeitig fest verbunden mit dem Zentrum.
Perfektion
Perfektion bezieht sich auf die Ausführung der einzelnen Übungen und ihres Bewegungsablaufs.
Durch das Verstehen des Bewegungsablaufs erfassen wir die Übung zuerst mit dem Verstand und durch wiederholtes Trainieren erfassen wir sie auch mit dem Körper.
Mit regelmässigem Training perfektionieren wir so die Bewegungsabläufe und deren Ausführung.
Kontrolle
„Be in control of your body, not at it’s mercy“3 wird Joseph Pilates zitiert.
Durch die Stärke des Körpers und seiner Muskeln zusammen mit der Kraft des Verstandes, erlangen wir Kontrolle über die Bewegungen unseres Körpers.
Joseph Pilates nannte seine Methode „Contrology“ – wörtlich übersetzt „Kontrollogie“. Kontrolle ist ein wesentliches Trainingsziel im klassischen Pilates.
Konzentration
Die Wahrnehmung unserer Bewegung – ich nenne sie auch gerne Achtsamkeit.
Sie beschreibt nicht so sehr die Präzision oder die Kontrolle, also die präzise Ausführung der Bewegung oder den kontrollierten Einsatz unserer Muskelkraft.
Viel mehr beschreibt sie unsere Wahrnehmung der (Bewegungs-)Abläufe in unserem Körper, des Einsatzes der Muskeln und der Kraft, der Bewegung der Gelenke.
Konzentration ist die Wahrnehmung der Verbindung und des Zusammenspiels von Körper und Geist in der Bewegung.
Flow
Die Verbindung der einzelnen Übungen oder die Notwendigkeit fließende Übergänge von einer zur nächsten Übung zu schaffen, um aus der Aneinanderreihung einzelner Übungen einen einheitlichen Bewegungsfluss zu kreieren.
Flow in der Bewegung wird wissenschaftlich folgendermaßen beschrieben: „Flow ist das Verschmelzen von Aktion und Bewusstsein; der Zustand, in dem man ein Gleichgewicht zwischen einer Fähigkeit und der Herausforderung dieser Aufgabe findet.“4
Und Sandy Shimoda beschreibt weiter: „Wenn Sie bei Ihren Trainingseinheiten einen Flow erreichen, werden Sie das Gefühl der Freude verspüren, das entsteht, wenn Sie in den Prozess eintauchen, sich einbringen und Energie tanken. Es ist der ultimative Zustand der Balance zwischen Körper und Geist in Bewegung, […]. Es ist auch das belohnende Gefühl, das wir alle so oft wie möglich erleben sollten„5
Pilates im Flow schafft Freude in und an der Bewegung – the Joy of Movement.
Diese sechs Prinzipien, sind und bleiben die Grundlage jeden Pilates Trainings – egal ob du Anfänger oder fortgeschritten bist.
In Joy of Movements Anfänger Training konzentrieren wir uns besonders auf die Atmung und finden im Atem-Rhythmus unseren Bewegungs-Rhythmus.
Und in allen Pilates Stunden arbeiten wir bei Joy of Movement regelmässig mit der Achtsamkeit oder dem Fokus auf einem dieser Prinzipien – egal ob Anfänger oder fortgeschritten.
Eine wichtige Grundlage für dieser Art zu pilatieren, ist die Vertrautheit mit den einzelnen Übungen und ihrem Ablauf, wie wir sie im klassischen Pilates Training erreichen. Denn nur dann können wir unsere Achtsamkeit in der Bewegung auf das eine oder andere oder mehrere Pilates Prinzip lenken – oder einfach nur darauf wie wir uns bewegen.
Meine allererste Pilates Lehrerin, Vesna Matthies in Hamburg, nannte diese Form des Trainierens
Pilates im Zen Modus
- „Your Health“ Joseph H. Pilates New York 1934
„Return to Life through Contrology“ Joseph H. Pilates New York 1945 ↩︎ - „Atmen ist der erste und letzte Akt des Lebens. Unser Leben hängt davon ab.“ in: Return to Life through Contrology ↩︎
- „Kontrolliere deinen Körper, statt ihm ausgeliefert zu sein.“ ↩︎
- „Flow is the melting together of action and conciousness; the state of finding a balance between a skill and how challenging that task is.“
Ellis; Völkl; Morris (1994) „Measurement and Analysis Issues with Explanation of Variance in Daily Experience Using the Flow Model“ in Journal of Leisure Research. 26 (4); 337-356″ ↩︎ - „When you achieve flow in your workouts you will feel the sense of enjoyment that comes from being immersed, involved, and energized by the process. It is the ultimate state of mind-body balance in motion; […] It is also the rewarding sensation that we all deserve to experience as often as we can manage.“
„Contrology Handbook. A Guide to Joe Pilates‘ Method“ Sandy Shimoda 2024 S.44 ↩︎